Gentrifizierung am Pulverturm

Neben der Gründerzeitarchitektur gibt es, am Puverturm in Mülheim, viele Häuser aus 50er/60er Jahren. Das spiegelt die Geschichte Mülheims als Arbeiter*innenstadtteil wider. Genauso wie die sozio-demographischen Merkmale: Im Jahr 2014 hatten 51,2% der Mülheimer*innen einen Migrationshintergrund und 24,4% bezogen Leistungen nach dem SGB-II. Damit lag der Stadtteil deutlich über den Kölner Durchschnitt (35,7% und 13,4%). Aus diesen Daten wird der besondere Förderungsbedarf des Entwicklungsprogrammes Mülheim 2020 begründet. Mit der Aufwertung soll die Attraktivität des Stadtteils für die Mittel- und Oberschicht der Gesellschaft gesteigert werden – mit Folgen für die einkommensschwächeren Bewohner*innen.

Zwischen 2010 und 2014 gab es eine wissenschaftliche Untersuchung zur Gentrifizierung in Köln-Deutz und Mülheim. Unter anderem wurde das Wohngebiet südlich der Mülheimer Brücke untersucht. Unter Gentrifizierung wurde dabei eine Form des Austausches der Wohnbevölkerung in einem Gebiet verstanden, bei dem der Anteil von statusniedrigen Bewohner*innen (Einkommen/Bildung) zu Gunsten von Statushöheren abnimmt. Die Studie bestätigte die Vermutungen, wonach sich Mülheim in einer frühen Phase der Gentrifizierung befindet. Es gibt relativ hohe Mietsteigerungen. Bisher beschränkt sich die Gentrifizierung in Mülheim auf einzelne Cluster, diese breiten sich aber aus.

Eines dieser Cluster sind die luxuriösen Neubauten am Rhein. Hier kosten die Mieten mehr als 14€/qm. Mindestens eine Wohnung darin wird dauerhaft als Ferienwohnung angeboten, für 100-120€ pro Nacht. Gebaut wurden die Luxuswohnungen von der „Modernes Köln GmbH“ (auch „Moderne Stadt GmbH“). Sie sind sowohl Bauträger, als auch die Stadtentwicklungsgesellschaft, der Stadt Köln und der Kölner Stadtwerke. Sie waren unter anderem am Bau des Rheinauhafens und des Cloth-Quartiers beteiligt. Aktuell arbeiten sie an der Neuplanung des Deutzer Hafens. Im Aufsichtsrat sitzen die Politiker*innen aller großen Parteien (außer der Linken). Damit baut die stadteigene Gesellschaften an der Gentrifizierung in Köln mit.

Vor Ort werden man auch die höheren Sicherheitsbedürfnisse der einkommensstärkeren Bewohner*innen in Form von Videoüberwachung, Zäunen und Mauern anschaulich. Zwar sind Gated Community in Deutschland selten, symbolisch grenzen sich Luxuswohnungen jedoch immer ab.

In den gegenüberliegenden Straßen sind die Mieten bislang geringer (wobei auch die Durchschnittsmiete für die befragten Wohnungen im Jahr 2010 bei 10€ lag). Starke Unterschiede zwischen den Mietpreisen in der Nachbarschaft sind nach der Rent-Gap Theorie ein Anzeichen für eine bevorstehende Gentrifizierung. Sie zeigen, dass sich die Lage soweit gebessert hat, dass höhere Mieten zu erzielen sind. Für die Eigentümer*innen von Bestandsimmobilien lohnen sich Investitionen in die Modernisierung und die Kündigung der alteingesessenen Mieterschaft immer stärker. Auch Neubauten auf Industriebrachen oder unbebauten Gebieten treiben die Mieten und die Anzahl der Kündigungen in der Nachbarschaft in die Höhe. Die Hafenstraße 19 ist ein gutes Anschauungsmaterial für diese Auswirkungen.

2008                                                                             2018

Zugleich erkennt man an dem Gebäude die Ästethik, welche weltweit in Städten mit Gentrification wiederzufinden ist. Typisch ist die Verbindung von historischen und gehobenen, modernen Gestaltungselementen. Zum einen gibt es bodentiefe Fenster, ausgebaute Dachgeschoße mit Maisonette. Zum anderen wird das alte Mauerwerk quasi eingerahmt und somit die Historizität des Gebäudes zur Schau gestellt. Damit wird sich symbolisch von den seriell konstruierten 08/15 Neubauten abgegrenzt und ein kulturelles Bewusstsein nach Außen demonstriert. Die Fassaden werden somit zu einem Ausdruck des eigenen Lebensstils. Vorausgesetzt man hat die finanziellen Freiräume, seinen Lebensstil derart zu zeigen. Aber die Betonung von „Authentizität“ ist auch eine immobilienwirtschaftliche Verkaufsstrategie, mit der sich höhere Preise erzielen lassen. Unter der Prämisse der Vermarktungsfähigkeit wird sehr selektiv ausgewählt, welche Aspekte der Geschichte des Ortes zu sehen sein sollen und welche abgerissen werden (siehe KHD Gelände).

Gentrifizierung ist eng verbunden mit Immobilienspekulation. Altbauten (besonders aus der Gründerzeit) steigen auch ohne jede Investition in ihrem Wert. Allein weil sich die Lage gebessert hat, was auch ein Ergebnis des neuen Rheinboulevards ist. Früher stand hier die Außenkulisse für die WDR Soap „Die Anrheiner“. Zeitweise wurde das Gelände vom Bauwagenplatz Wem gehört die Welt besetzt, bis sie wegen Hochwasser den Platz aufgeben mussten. Seit 20 Jahren sind sie jetzt an der Krefelder Straße in der Innenstadt. Aber der Platz ist bedroht weil die Stadt das Gelände verkaufen möchte.

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Gentrifizierung findet Stadt

Die wissenschaftliche Identifizierung der Gentrifizierung erfolgte 1964 durch die Soziologin Ruth Glass. Sie nutzte den Begriff um die spezielle Form des Wandels von Nachbarschaften zu beschreiben. Im Londoner Arbeiterstadtteil Islington beobachtete sie, wie das Gebiet bei einer wohlhabenden Mittelschicht zunehmend beliebter wurde. Der Zuzug der Besserverdienenden, trieb die Preise auf dem lokalen Immobilienmarkt in die Höhe. Die Folge waren steigende Mieten, Kündigungen, Zwangsräumungen, Luxusneubauten, hochpreisige Geschäfte und die Verdrängung der ärmeren Wohnbevölkerung. In gentrifizierten Wohnvierteln entwickelt sich oft eine intensive und sich selbst verstärkende Eigendynamik, welche sich auf umliegende Stadtteile ausbreitet. Damals war die Gentrifizierung noch ein seltenes Phänomen, heute ist sie zu einem globalen Muster der Stadtentwicklung in Metropolen geworden.

Die Faktoren, welche die plötzliche Nachfrage nach (ehemals) unattraktiven Wohngebieten auslösen sind vielfältig. Sie sind sowohl in einer gewandelten Nachfrage der Wohnungssuchenden, als auch in den veränderten Immobilien- und Investmentstrategien zu finden. So können etwa stadtpolitisch initiierte Aufwertungsprogramme, neu angesiedelte Großunternehmen, immobilienwirtschaftliche Spekulationsstrategien, aber auch neue Wohnpräferenzen oder Kultur-Projekte die Gentrifizierung auslösen. Wenngleich sich die Anlässe unterscheiden, liegt die Ursache in der vorherrschenden Organisationsweise der Wohnraumversorgung. In der kapitalistischen Verwertungslogik orientiert sich, das Angebot an den höchsten Gewinnen und den geringsten Risiken. Der Markt schafft daher weder günstigen Wohnraum, noch besteht ein Interesse diesen zu erhalten. Stattdessen bedeutet eine Verbesserungen der Wohnlage, eine Wertsteigerung für die Eigentümer*innen, welche sie durch Verkauf oder Neuvermietung abschöpfen.

Seit der Finanzkrise verteuert sich der Kölner Immobilienmarkt spürbar. Die Verunsicherung auf den Börsen hat zu verstärkten Ankäufen von Immobilien geführt. Köln gilt als sichere Geldanlage mit guter Rendite. Seit 2008/2009 steigen die Preise für Eigentum um jährlich fast 10% (Wohnungsbau in Köln 2014). Das lässt weiterhin steigende Mieten erwarten, da die Rendite reingeholt werden muss und die Nachfrage von Wohnungssuchenden ungebrochen hoch ist. Dabei sind die Mieten in Köln bereits die Höchsten in ganz NRW. Neun der zehn teuersten Stadtteile des Bundeslandes liegen in Köln (KStA 26.08.16). Waren die Mietkosten in Köln lange durch den Gegensatz zwischen der linken und rechten Rheinseite geprägt, wurde die Gentrifizierung inzwischen auch in Deutz und Mülheim wissenschaftlich belegt (Kölner Gentrification Studie). Auf Wohnungssuchende wirken die Mietpreise wie unsichtbare Stadtmauern. Vor dessen Torburgen haben die Markler*innen und Eigentümer*innen mit grimmiger Miene bereits Wache bezogen. Ihrer argwöhnischen Prüfung besteht nur wer über ein gutes Einkommen und stabile Lebensverhältnisse verfügt. Es manifestiert eine Machtasymmetrie, welche Diskriminierungen leicht macht. Im Februar wurde bekannt, dass Mitarbeiter der GAG und des Wohnungsamts für die Vermittlung von Wohnungen an Geflüchtete ein Bestechungsgeld von 3.000€ erpressten (KStA 10.02.17).

Eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht und die Stadt Köln ist denkbar schlecht auf die sich verschärfende Gentrifizierung vorbereitet. Die Privatisierung von städtischen Immobilien und Flächen, die Gewinnorientierung der GAG, sowie ein sich erschöpfendes Flächenpotenzial, trifft auf eine jahrelange Relativierung der Gentrifizierung, auf fehlende Mileuschutzsatzungen (allein Berlin hat 44) und halbherzige Bemühungen der Kommunalpolitik den entfesselten Marktkräften entgegen zu treten. Fast wirkt es so, als würde die Verdrängung der Armen und Marginalisierten aus der Stadt, als angenehmer Nebeneffekt für die Entlastung der politischen Verantwortung und kommunalen Finanzen gesehen. Eine solche Sichtweise verleugnet jedoch die zentrale Bedeutung der Wohnungsfrage: Wie ist der Bau von Büro- und Luxusquartieren zu legitimieren, wenn es tausenden Menschen am Grundsätzlichsten mangelt? Wenn immer noch Geflüchtete in Turn- und Leichtbauhallen leben müssen? Wenn jedes Wintersemester Notschlafstellen für Studierende eingerichtet werden und Obdachlose auf der Domplatte schlafen? Solange Köln nicht in der Lage ist den Artikel 25 der UN-Menschenrechtscharta zu erfüllen, der jedem Menschen das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung zuspricht, solange stellt jeder Neubau der nicht diesem Ziel dient ein Gerechtigkeitsproblem dar.

Aber Gentrifizierung ist kein Naturgesetz. Es spricht viel dafür Wohnraum nicht als Ware, und Stadt nicht als Produkt anzusehen, sondern als Lebensgrundlage und Gemeinwesen. Die Verdrängung im Zuge der Gentrifizierung bedeutet folglich, die Zerstörung von Nachbarschaften, die Entwurzelung der Bewohnenden und die Erosion des Gemeinsamen. Diesem Verständnis nach geht es nicht allein darum, eine bessere Anpassung des Wohnraumangebotes an die prekären Einkommensverhältnisse der Nachfrage-Gruppen zu erreichen, sondern auch darum die Resilienz der Nachbarschaften gegenüber der Gentrifizierung zu stärken. Ein Schlüsselelement auf dem Weg zu einer solidarischen Stadt ist die Demokratisierung der (Wohn)-Raumfrage. Hier zeigen selbstorganisierte Freiräume, wie die Wagenplätze oder das Autonome Zentrum was überall möglich sein könnte.

Veröffentlicht als Gastbeitrag im Platzjabbeck 04/2017

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Bauwagenplätze – gegen die Planung der Herrschenden

Seit drei Jahrzehnten gibt es urbane Bauwagenplätze in Deutschland. Das Phänomen ist allein schon aufgrund der Kontinuität bemerkenswert, denn obwohl das dauerhafte Wohnen im Bauwagen von Staat und Justiz als illegal angesehen wird, scheint die Anzahl der Plätze und ihrer Bewohner*innen insgesamt konstant zu bleiben. Zwar variiert der Umgang der Lokalpolitik mit Bauwagenplätzen, aber in dem Ziel des konsequenten Unterbindens von neuen Plätzen besteht politische Einigkeit (vgl. Lutz 2015: 45-49). Das zeigt sowohl die grundsätzliche Anerkennung der Attraktivität des Wagenlebens, als auch den emanzipatorischen Kern dieser Wohnform.

Durch ihre selbstständige Aneignung und Entwicklung von Brachflächen können Bauwagenplätze als Beispiele für eine anarchistische Stadtentwicklung gesehen werden.

Wagenplätze verwirklichen viele der gegenwärtig proklamierten, stadtplanerischen Leitbilder, wie: Nachhaltigkeit, Funktionsmischung, Partizipation sowie eine heterogene soziale Bewohnerschaft. Sie spielen damit eine gesellschaftliche Vorreiterrolle. Dank ihrer Do-It-Yourself- und Recycling-Architektur sind Bauwägen extrem ressourcenschonend. Das ermöglicht ein kostengünstiges und umweltfreundliches Wohnen. Die Wägen können in Eigenleistung, an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden. Gleichzeitig ist ihre Anordnung flexibel im Raum veränderbar. Anders als bei immobilen Baukörpern, ist die Gestaltungsmöglichkeit nicht an dem Eigentumsrechten von Grund und Boden gebunden. So kann der Platz auf die individuellen und kollektiven Bedürfnissen der Bauwägler*innen zugeschnitten werden. Das Verhältnis zwischen Privatsphäre und Gemeinschaft, Nähe und Distanz kann sich dynamisch den jeweiligen Wohn-Bedürfnissen anpassen. Das Areal der Bauwagenplätze wird von den Bewohner*innen in Form der Allmendé gemeinsam entwickelt. Toiletten, Küchen oder Veranstaltungsorte werden meist, als gemeinschaftliche Einrichtungen genutzt. Auf Wagenplätzen gibt es üblicherweise dezentrale, autonome Lösungen für die Infrastruktur, wie beispielsweise Strom über Solarpanels, Kompost-Toiletten oder Holzöfen. Neben der ökologischen Nachhaltigkeit reduziert es das Abhängigkeitsverhältnis, gegenüber der zentralisierten Infrastruktur von privaten und kommunalen Versorgern (vgl. Lutz 2008: 44-56).

An Wagenplätzen lässt sich der enge Zusammenhang, zwischen Raumnutzungsmöglichkeiten und Lebens- bzw. Gesellschaftsentwürfen illustrieren. Die Merkmale der sozialen Inklusion, des Konsumverzichts, der größeren Zeitsouveränität, sowie der kollektiven Organisation, sind strukturell in der Wohnform angelegt. Die individuell gewonnene Autonomie der Bewohnenden, wird oft mit der weiteren Nachbarschaft geteilt, was sich etwa in der Bereitstellung von kulturellen Angeboten oder Gästewohnraum äußert. Die Tatsache das Wagenplätze dennoch kein Quell der Inspiration für die institutionelle Stadtplanung sind, belegt die verborgenen Programme denen die Planung unterliegt

Herrschaft durch planen

…denn die Stadt- und Raumplanung ist ein Instrument der Herrschaftsausübung. Sie erlangt ihre Macht durch die Befähigung zur Gestaltung von Räumen. In dem die Verteilung von Menschen, Bauwerken und Natur im Raum reguliert wird, wird versucht die sozialen Verhältnisse und Praktiken zu steuern. Welche Lebensverhältnisse dabei als wünschenswert gelten, hängt von den jeweiligen Zielen der am Planungsprozess (und somit der Herrschaftsausübung) beteiligten Akteur*innen ab (Mattissek/Prossek 2014: 198-209).

Die Vorformen der Stadtplanung finden sich in den Entwürfen absolutistischer Herrscher*innen, welche ihre von Gott gegebene Macht durch die Gestaltung der Straßenverläufe und Monumentalbauten zu beweisen versuchten. Vollends institutionalisiert wurde die Stadtentwicklung jedoch erst in der Industrialisierung. Der schnell wachsende Bedarf an Arbeitskräften und das Entstehen einer kapitalistischen Immobilienwirtschaft pferchte die Arbeiter*innen in immer menschenunwürdigere Wohnkasernen ein. Die Gefahr welche durch unkontrollierbare Brände, Seuchen und aufständische Milieus ausging, bedrohte nicht nur die Produktion, sondern auch die Gesundheit der Bourgeoisie und erforderte eine staatliche Regulation. Seitdem ist die Stadtplanung einem Synonym dafür das, dass Soziale eines ordnenden Staates bedarf, um nicht in Chaos und Agonie zu enden. 

Vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts, war die Stadtplanung von der Idee eines großräumlichen Ausgleichs, der Angleichung von Lebensverhältnissen und der Steigerung der Wohnqualität geprägt. So sollte die Mittelschicht wachsen. Der paternalistische Sozialstaat versuchte damit den politischen Status Quo zu sichern. Zu diesem Zweck wurden die Prinzipien des Fordismus auf die Stadt übertragen. Ziel war es die Städte neu zu strukturieren und funktional nach Wohnen, Erholung, Konsum und Arbeit zu trennen. Die seriell hergestellten „Wohnmaschinen“ der Großsiedlungen waren Ausdruck der Bemühungen soziale Homogenität und Konformität herzustellen. Während die Plattenbauten schnell an Popularität verloren, symbolisieren die Ein-Familienhäuschen bis heute das private, entpolitisierte Glück. Der Massenkonsum und die Motorisierung der Privathaushalte ermöglichten die Suburbanisierung. Spätestens damit wurde die Stadtentwicklung auch als Instrument der Wirtschaftsförderung begriffen. Große private und staatliche Investitionen flossen in die Vororte und den Ausbau der Auto-Verkehrsinfrastruktur.

In Folge blieben innerstädtische Armuts- und Leerstandsgebiete zurück. Die geplante Kahlschlagsanierung ganzer Viertel wurde als Zerstörung des eigenen Lebensraum erkannt und mit vielfältigen Widerstand begegnet. Zugleich setzte ein Prozess der Restrukturierung des Kapitalismus ein. Industrielle Arbeitsplätze wurden zunehmend in die Niedriglohnländer verlagert. Es bildete sich ein, sowohl netzwerkförmiges, konkurrierendes, als auch hierarchisiertes weltweites Städtesystem. Großstädte konnten zu Global Cities aufsteigen und fortan als Steuerungszentren für die globalisierte Wirtschaft dienen. Das Modell des Markt wurde zum zentralen Organisationsprinzip der Gesellschaft gemacht und Städte wie Unternehmen nach Rentabilitäts-Überlegungen geführt. Die an der Herrschaft Beteiligten versuchen mit Deregulierungen, Subventionen und Privatisierungen für einen möglichst reibungslosen Fluss von Informationen, Finanzen, Waren und Arbeitskräften in den Städten zu sorgen. Es steht nicht mehr der soziale Ausgleich im Vordergrund, sondern die erfolgreiche Ansiedlung von Investoren, Unternehmen und potenten Bevölkerungsgruppen. Denn der Bedeutungszuwachs des produktionsorientierten Dienstleistungssektors ließ eine neue urbanen Elite entstehen, welche auf dem internationalen Arbeitsmarkt agiert. „In dieser neuen Arbeitsgesellschaft verflüssigt sich die traditionelle Trennung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit“ (Häußermann 2012). Innerstädtische Altbauquartiere erlebten ein Comeback. Seither strömt die gehobene Mittelschicht zurück und verdrängt sukzessive die dortige Wohnbevölkerung (Gentrifizierung). Doch nicht nur die Luxusquartiere dehnen sich aus, auch die Anzahl der schlecht bezahlten Tätigkeiten nimmt zu. Die Trennung von Arm und Reich prägt zunehmend die Struktur der Städte (Soziale Segregation). Neben der Restrukturierung des Kapitalismus lassen sich zahlreiche demographische und kulturelle Veränderungen beobachten, welche die Nachfrage nach Raum in der Stadt ebenfalls radikal beeinflussen, dazu gehören u.a. veränderte Rollenbilder, Individualisierungsprozesse und Migrationsbewegungen (Häußermann 2012, Zehner 2001: 129-136).

Die fordistisch-geprägte Stadtplanung konnte sich auf die rasant verändernden Marktanforderungen nicht schnell genug einstellen. Der technokratische Glaube des Staates, an die Planbarkeit des Sozialen, geriet in einer Legetimationskrise.

Um die Rolle der Stadt im Kapitalismus als Ort und Ressource der Produktion weiterhin sicherstellen zu können, musste sich die Stadtplanung anpassen. Als Reaktion auf den Wandel operiert die Herrschaftsausübung zunehmend im Modus der Urban Governance. Das ermöglicht Kapitalinteressen dynamischer in dem Prozess einzuspeisen, schlanke, kostengünstige Verwaltungsstrukturen aufzubauen und eine höhere Legitimität der Planungen zu erreichen. In diesem Herrschaftsmodus steht nicht mehr die autoritäre Machtausübung von staatlichen Institutionen im Vordergrund, sondern die Fähigkeit mittels Kooperationen, Freiwilligkeit und Selbststeuerung bei den Akteur*innen zu erzeugen. Die Urban Governance gibt keine starren Lösungen mehr vor, sondern aktiviert ausgesuchte Netzwerke der Zivilgesellschaft und der privaten Wirtschaft, um an der Erstellung von Lösungswegen (beispielsweise für die Entwicklung von Neubaugebieten, Sanierungen von Stadtteilen oder Großprojekten) mitzuwirken (Koch 2010: 71-74 und 81ff, Fassmann 2009:159-165).

Zur sozialen Befriedung wird Bürger*innen in Möglichkeit zur Partizipation an der Stadtplanung gewährt. Im Gegenzug akzeptieren, legitimieren und stabilisieren sie die Planungsverfahren. Die Aktivierung der Zivilgesellschaft verlagert die Verantwortlichkeit, von der Politik und Verwaltung, hin zu den Bewohner*innen selbst. An ihrem Selbstmanagement liegt es jetzt, inwieweit sie ihre Belange im Verfahren durchsetzen können. Scheitern geschieht auf eigener Verantwortung. Vor allem privilegierte Bevölkerungsgruppen, mit freien Ressourcen und Netzwerken können die Partizipationsmöglichkeiten nutzen. Die Integration von weniger privilegierten, sozialen Gruppen in den Planungsprozess wird als eine Aufgabe von Sozialer Arbeit angesehen. Die strukturellen Macht-Asymmetrien der Planungen bleiben verschleiert. Die Stadtplanung wandelt sich so in einem Manager von Demokratie. Als „Herr“ des Verfahrens, bleiben grundsätzliche Fragestellungen und die vorgegebenen Hierarchien allerdings von der Mitgestaltung ausgenommen. So kann meist nur an dem „wie“ der Planung partizipiert werden und nicht über das „ob überhaupt“ und „wo“. Mit der Festlegung von nicht verhandelbaren Sachzwängen und Zuständigkeiten wird das „Nadelöhr der politisch zu Verfügung gestellten Artikulationsräume“ weiter eingeschränkt (vgl. Keim 2014: 184, Mattissek/Prossek 2014: 198-209).

Die Beteiligungsverfahren erwecken die Illusion, dass alle räumlichen Konflikte im demokratischen Verfahren einvernehmlich ausgehandelt werden könnten. „Umgekehrt wird das, was nicht als verhandlungsfähig angesehen wird, als gesellschaftlich unbedeutend deklariert, bleibt dem Denk- und Sagbaren entzogen und wird notfalls kriminalisiert.“ (Keim 2014: 186).

Mit dieser Diskurs-Strategie werden besonders irreguläre Wohnformen, wie Wagenplätze, bekämpft. Innerhalb des Herrschaftssystem der repräsentativen Demokratie, erhebt die Stadtplanung den Anspruch die verschiedenen Rauminteressen im Sinne einer Gemeinwohlorientierung abzuwägen. Doch welche Akteur*innen das Gemeinwohl definieren und von welchen Zielen und Normen sie dabei geleitet werden bleibt vage. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass im Prozess der Neoliberalisierung zunehmend Wirtschaftsinteressen mit dem Gemeinwohl gleichgesetzt werden. Die Anwendung des Mehrheitsprinzips verwehrt Minoritäten, wie Wagenplätzen, den Lebensraum oder verdrängt sie in periphere Lagen. Wenn aber alternative Lebensstile und Gesellschafts-Konzepte keinen Ort finden, bleiben sie unsichtbar und undenkbar. Die Konsequenz zeigt sich in der schwer erträglichen Homogenisierung der Innenstädte. Um gegen die zwangsläufig entstehende Beliebigkeit der kapitalistischen Stadt anzugehen, wird mit Marketing-Maßnahmen versucht, eine sowohl einzigartige, als auch markt- und konsumgerechte Identität zu inszenieren. Ein Unterfangen, welches zwangsläufig ins Leere führt.

Die sozialen Kämpfe um die Bauwagenplätze sind immer auch ein Kampf um das Recht auf Stadt. Der von Henri Lefebvre geprägte Begriff lässt sich, nach Holm (2011: 89f), als das Recht auf Zentralität, das Recht auf Differenz und das Recht auf Utopie zusammenfassen. Gemeint ist der unbeschränkte Zugang zu den zentralen Ressourcen der Stadt, die Anerkennung der sozialen Heterogenität (mitsamt ihrer inhärenten Konflikte), sowie die kollektive Gestaltbarkeit der Stadt. Die praktische Auseinandersetzungen um Wagenplätze, beschränkt sich daher nicht auf das Einfordern ihres Existenzrechtes, als schützenswertes Nischenbedürfniss (innerhalb eines hierarchisch-kapitalistischen Stadtsystems) – Ihr utopisches Potenzial liegt tiefer! Wagenplätze geben als Mikrokosmen einen Vorahnung davon, wie die Stadt organisiert sein könnte, wenn das Recht auf Stadt bereits erstritten wäre. Sie beweisen, dass es keiner Planung von Oben bedarf, um lebenswerte Quartiere zu entwickeln und untergraben so die institutionelle Stadtplanung der Herrschenden.

Letztlich ist der Kampf um Wagenplätze breiter als die Plätze selbst, im Kern geht es um die Frage, wie eine Demokratisierung aller (Lebens-)Räume verwirklicht werden kann.

 

 

Quellen- und Literaturverzeichnis.

Häußermann, Hartmut – die fordistische Stadt. 2012. Verfügbar unter: http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138639/die-fordistische-stadt?p=all

Holm, Andrej – Recht auf die Stadt. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2011, 89-97

Fassmann, Heinz [Hrsg.] – Stadtgeographie I. Allgemeine Stadtgeographie. 2. Aufl., Neubearb., 2009

Keim, Rolf – Das Paradigma der Beteiligung: Chance oder Vereinnahmung sozialer Bewegungen? In: Stadt und soziale Bewegungen, Gestring, Rune, Wehrheim [Hrsg.], 2014

Koch, Florian – Die europäische Stadt in Transformation Stadtplanung und Stadtentwicklungspolitik im postsozialistischen Warschau. VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. 2010.

Lutz, Manuel – Raum der Differenz. Bedingungen der Verräumlichung unkonventioneller

und mobiler Wohnformen. Eine Untersuchung von Bauwagenplätzen in der Stadtentwicklung am Beispiel Freiburg im Breisgau. Diplomarbeit an der Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund, 2008.

Lutz, Manuel – Informelles Wohnen in Deutschland und den USA. Beitrag zur planerischen Bearbeitung irregulärer Wohnformen. In: RaumPlanung, 178 2/2015, 44-49.

Mattissek/Prossek – Regieren und Planen. In Lossau/Freytag/Lippuner [Hrsg.] Schlüsselbegegriffe der Kultur- und Sozialgeographie, 2014

Zehner, Klaus – Stadtgeographie. Gotha; Stuttgart, Klett-Perthes, 2001

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Im Griff der Krisen – Wohnungsmarkt in Köln

In keiner anderen Stadt in NRW ist Wohnen so teuer wie in Köln. Wie entwickelt sich der Wohnungsmarkt? Wer wird ausgeschlossen und wer profitiert davon?

Wer 2014 eine Wohnung mieten wollte, musste im Median (die mittleren 50% aller Mietpreise) 9,2% €/m² Kaltmiete bezahlen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg von 4,5%.1 Für eine Neubauwohnungen muss Mensch sogar 11,30€/m² zahlen. Auch der Verzicht auf Wohnfläche führt nicht zu geringeren Mietkosten. Aus der Zwangslage vieler Menschen eine Wohnung finden zu müssen, schlagen die Vermieter*innen reichlich Kapital. Ein Micro-Appartment bis zu 30m² Wohnfläche kostet durchschnittlich 13,10 Euro/m² im Bestand und 16,85 Euro/m² im Neubau.2 Wie Stark der Druck auf dem Wohnungsmarkt ist, kann man auch daran sehen, dass auf jede angebotenen Wohnung durchschnittlich 53,4 Interessent*innen kommen. Mehr als in Düsseldorf, Berlin oder Frankfurt.3 Seit 5 Jahren sinkt die Anzahl der Umzüge innerhalb der Stadt.4 Wer eine Wohnung hat, findet hier kaum noch eine Bessere. Der Status Quo wird zu einem Privileg. Gleichzeitig nimmt die Anzahl an inserierten (Studenten)Appartments seit 5 Jahren ab und hat sich bis zu einem Drittel reduziert.5 

Gab es 1990 noch 105.000 öffentlich geförderten Wohnungen (“Sozialwohnungen”), waren es 2014 noch noch 39.000. Jedes Jahr verlieren mehr Wohnungen ihre Sozialbindung als neu hinzukommen. Der Anteil von Sozialwohnungen liegt lediglich bei 7,1%. Demgegenüber stehen 45% der Kölner Haushalte deren Einkommen so gering ist, dass sie berechtigt wären eine Sozialwohnung zu mieten. Die wenigen Sozialwohnungen die es gibt, befinden sich am Stadtrand. In Chorweiler gibt es 81,9% öffentlich geförderter Wohnraum, in innerstädtischen Veedeln wie Deutz oder dem Agnesviertel, hingegen keine einzige Wohnung.6

Kölner Mieter*innen sind die Verlier*innen der Finanzkrise

Nach dem Platzen der Immobilienblasen (USA, Spanien usw.) flüchten die Investor*innen in sichere Bereiche. Zusammen mit dem historisch niedrigem Zinsniveau und dem Mangel an alternativen Anlagemöglichkeiten, steigen die Preise für Wohneigentum dramatisch an (siehe Grafik). Stagnierten die durchschnittlichen Kaufpreise in Köln pro Quadratmeter zwischen 2001 und 2008, sind sie zwischen 2009 und 2014 um 40 % in die Höhe geschnellt.7

In prestigeträchtigen Stadtteilen wie Lindenthal und Marienburg kosten Eigentumswohnungen durchschnittlich 3.800 bis 3.900 Euro/m². In der Altstadt und der Neustadt im Mittel 3.650 Euro/m². In einigen Mikrolagen, wie zum Beispiel im Villenviertel in Marienburg, in der Südstadt oder im Belgischen Viertel in der Neustadt, werden für Top-Objekte mittlerweile Preise von mehr als 6.000 Euro/m² verlangt.” KSK Marktbericht 2015 S.38 8

In vielen deutschen Großstädten ist die Situation ähnlich, weswegen von einer Wiederkehr der Wohnungsfrage die Rede ist. In der Debatte um vermeintliche Lösungsstrategien erklingen Lautstark die Stimmen der Immobilienwirtschaft, welche über schnellere Baugenehmigungen, einer Absenkung der Wohnstandards und mehr öffentlichen Subventionen für den Wohnungsbau sprechen. Darüber das mehr gebaut werden muss, sind sich alle parlamentarischen Parteien einig. Köln wächst jährlich um ca. 10.000 Einwohner*innen. Aktuellen Hochrechnungen zufolge soll Köln bis zum jahr 2025 um 9,5% wachsen: von 1,044 Millionen auf 1,144 Millionen Einwohner. 9 Dabei wurden die geflüchteten Menschen von den Statistiker*innen nicht eingerechnet: zu unsicher sind ihre Bleibeperspektiven und die weiteren Zuweisungen.

Aktuell Leben 12.431 Geflüchtete in Köln. Sie sind in Hotels, umgenutzen Leerständen, oder Container-Lagern untergebracht. 3.700 geflüchtete Menschen leben in Turnhallen oder Leichtbauhallen. Das bedeutet ein Leben ohne Privatsphäre denn Abtrennungen zwischen den Betten gibt es nicht. Je nach Größe der Halle leben dort zwischen 50-350 Menschen.10 Eigene Verpflegungsmöglichkeiten bestehen nicht. Gegessen wird, was angeliefert wird. Das Hallenlicht brennt die ganze Nacht durch. Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben wird so auf ein Minimum reduziert. Gegen die schlechte Unterbringung und sexuellen Übergriffen durch das Wachpersonal, demonstrierten im Februar Geflüchtete in Gremberg. 11

 

Tear down this wall

In einer so dicht bebauten Stadt wie Köln sind die Flächen rar. Eine Studie der Verwaltung hat kürzlich die Kapazität des potenziellen Baulandes berechnet und festgestellt, dass der Platz für 13.250 benötigte Wohneinheiten fehlt.12 Logische Folge ist, dass die Bevölkerung von Köln weniger stark anwachsen wird, während die Mieten weiter kräftig steigen werden. Die Stadt schließt sich. Viele Menschen die hinzuziehen wollen stehen vor einer unsichtbaren Stadtmauer. Das Einkommen entscheidet wem Einlass gewährt wird. Die, die Außen vor bleiben, müssen ins Umland oder unattraktiven Randgebieten. Bereits 2008 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass in keiner der 15 untersuchten deutschen Großstädte die räumliche Trennung von Arm und Reich, stärker ausgeprägt ist als in Köln.13 Derweil nimmt auch in der Peripherie der Druck zu. Kürzlich kaufte die GAG die (wegen eine jahrelange Desinvestitutions-Strategie der Eigentümer) verrottenden Plattenbauten und plant nun die Aufwertung. Neben einem Mietpreisanstieg, sowie einer moderaten Sanierung, sollen auch Sozialarbeiter die Mieter*innen kennenlernen, um Bewohner*innen zu Identifizieren, welche der GAG Probleme machen könnten, so der Vorstandsvorsitzende Uwe Eichner gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger:

Es wird Zwangsräumungen geben“, sagte der Vorstandschef. „Es gibt einige Mieter, die brauchen Hilfe.“ Etwa fünf Prozent der Bewohner in den rund 1.200 betroffenen Wohnungen, so schätzte Eichner, könnten für Probleme sorgen – beispielsweise ihre Miete nicht zahlen oder die Wohnung vermüllen lassen. Sie müsse man rauswerfen“.14

Das Unrecht der Gated-Communitys, ShoppingMalls und Bürokomplexe  

Aus dem limitierten Flächenangebot der Stadt ergibt sich die Notwendig Prioritäten für die Bebauung aufzustellen. Hierbei sollte das Ziel einer demokratischen Stadt sein, Wohnraum zu schaffen der von Allen bezogen werden könnte, unabhängig von Einkommen oder Herkunft. Stattdessen entstehen Wohnungen vorrangig im Luxus-Segment. Das ist Rational, denn für die Wohnungswirtschaft sind hier die größten Profite abzuschöpfen. Aktuell entstehen beispielsweise: das Gerling-Quartier, das Quartier Reiterstaffel, das Flow, der Liné-Park, die Pandion Klostergärten oder das Radeberger Leben. Wohnobjekte sind aber nicht isoliert zu sehen. Sie stehen im Kontext zu der Nachbarschaft und sind Teil des Veedels. Die Ausstrahlungseffekte von Luxusprojekten wirken auf die Umgebung, erhöhen die Mieten und verdrängen Ärmere. Zudem belegt jedes neue Luxusquartier die immer enger werdenden Möglichkeiten für günstigen Wohnraum. Mit dem Hinweis auf dringend benötigtes Bauland wird auch die Verdrängung des Wagenplatzes “Wem gehört die Welt” argumentativ vorbereitet.15 Gleichzeitig werden Brachen für Großkonzerne in Reserve gehalten, obwohl bereits eine halbe Million Quadratmeter Büroflächen leerstehen.16 Großkonzerne suchen vorallem aus Repräsentationszwecken die Nähe zum Stadtzentrum. Über die geographische Positionierung verdeutlichen sie ihre gesellschaftliche Stellung. Im kommunalen Wettbewerb, um die Gunst von Investor*innen, machen die Stadtregierungen bereitwillig mit und das Totschlagargument der Arbeitsplätze zieht noch immer. Auf dem Grundstück der ehemaligen Wohnsiedlung Barmer Viertel, soll nun die Zurich Versicherung einen weiteren Bürokomplex errichten.17 Auf der anderen Seite der Gleise werden kommunale Flächen für den Bau eines Spielcasinos verkauft.18 Im Grüngürtel sollen die Gleuler-Wiesen privatisiert werden, um dort ein Leistungszentrum für den FC Köln zu errichten. Eine Bürger-Initiative macht nun dagegen mobil. 19

Es wird eng in der Stadt. Das macht deutlich, dass Raum eine limitierte Ressource ist und gerade deswegen eine solidarische, soziale und ökologisch nachhaltige Nutzung erfordert. Er darf kein Exklusivgut für Reiche sein und der Spekulation dienen. Die bisherige Organisation der Stadt reproduziert und betoniert die gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Sie sind anzugreifen, um zur Frage vorzustoßen: Wie die Wohnraumproblematik demokratisiert werden kann, um das gute Leben für alle zu ermöglichen? 

 

 

 

Quellen und Literaturangaben

1 Www.1.wdr.de/verbraucher/wohnen/mietpreise-nrw100.html

2 https://www.ksk-koeln.de/immobilien/marktbericht-2016.pdfx

3 Der Spiegel 15/2016

4 http://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf15/wohnungsbau_in_koeln_2014.pdf

5 Www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/beitrag/Wohnungen-fuer-studenten-muenchen-ist-am-teuersten-276080

6 http://www.ksta.de/koeln/-sozialer-wohnungsbau-mehr-soziale-mischung-im-stadtviertel-934124

7 http://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf15/wohnungsbau_in_koeln_2014.pdf

8 https://www.ksk-koeln.de/immobilien/marktbericht-2015.pdfx

9 http://www.ksta.de/koeln/interaktive-karte-welche-veedel-in-den-naechsten-jahren-wachsen-und-welche-schrumpfen-23706438

10http://www.ssbk.de/fileadmin/bilder/pdf_07.10.15/2016-04-08_Hintergrundgespraech_aktuelle_Unterbringungssituation_070416_ueberarbeitet.pdf

11 https://dignity4refugees.wordpress.com/2016/02/20/march-for-dignity-nein-zu-unwurdiger-unterbringung-von-fluchtlingen-in-koln/

12 http://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf15/stadtentwicklungskonzept_wohnen_2015.pdf

13 “Gespaltene Städte: Soziale und ethnische Segregation in deutschen Großstädten” Jürgen Friedrichs, Sascha Triemer 2008

14 http://www.ksta.de/koeln/chorweiler/koeln-chorweiler-gag-rechnet-mit-zwangsraeumungen-24055854

15 http://wemgehoertdiewelt.blogsport.de/images/Presseerklrung_01.pdf

16 http://de.statista.com/statistik/daten/studie/177555/umfrage/leerstand-von-bueroflaechen-in-koeln-seit-2003/

17 http://www.express.de/koeln/zurich-zieht-an-die-messe-3000-jobs-kommen-ins-barmer-viertel-nach-deutz-22663674

18 http://www.ksta.de/koeln/innenstadt/gluecksspiel-diskussion-um-geplantes-casino-in-deutz-23925742

19 http://unsergruenguertel.de/

Veröffentlicht unter General, Gentrifizierung, Wohnungssituation | Verschlagwortet mit , , , , , | Kommentare deaktiviert für Im Griff der Krisen – Wohnungsmarkt in Köln

Aus Köln wird Düsseldorf – Das Gerling Quartier

Tausende suchen verzweifelt eine bezahlbare Wohnung in Köln. Zeitgleich entstehen überall neue Luxus-Siedlungen. Im „Gerling Quartier“ investiert die österreichische Immofinanz-Gruppe 400 Millionen Euro, um aus einem leerstehenden Bürokomplex, ein „Premium-Stadtquartier“ für Superreiche zu machen. Die Verkaufspreise der Eigentumswohnungen liegen zwischen 4.500€/m² und 16.000€/m². Das Penthouse wurde für 6 Millionen Euro verkauft. Im September wurde der erste Bauabschnitt mit 145 Eigentumswohnungen und 25.000qm² Büroflächen eröffnet, der Zweite soll bis Ende 2016 fertig gestellt werden. Damit illustriert das Quartier nicht nur die soziale Ungleichheit, sondern treibt sie voran. Denn für das umgebende Friesenviertel bedeutet das Quartier: steigende Mieten, vermehrte Kündigungen und abnehmende Konsummöglichkeiten für einkommensschwächere Menschen.

Selbst die naivsten Gemüter können nicht glauben, dass der Einzug von hunderten Reichen, das umgebende Viertel nicht verändern wird. Während der Investor gar nicht erst versucht dem Projekt einen sozialen Anschein zu geben, verkneift sich die Kölner Presse brav jedes kritische Wort. Dabei war das Friesenviertel bereits Ende der 60er Jahre Schauplatz einer Bevölkerungsverdrängung. Während damals die Vertreibung des Proletariats, zugunsten einer „white collar“ Belegschaft, im Mittelpunkt stand ist heute die Mittelschicht selbst bedroht.

I. Die erste Gentrification

Bereits Anfang der 70er verfolgte die Stadt Köln eine neoliberale Stadtentwicklungspolitik und ließ dem Gerling-Konzern nahezu freie Hand für der Umgestaltung des Stadtteils. Der Konzern verfolgte mit seiner Strategie drei Ziele:

  • Es sollte der wachsende Bedarf an Büroraum langfristig gedeckt werden
  • Die Um- und Neubauten sollten als Anlageobjekte der Immobilienspekulation dienen
  • Das umgebende Rotlicht-Milieu sollte vertrieben werden

Dazu wurden systematisch benachbarte Grundstücke und Gebäude aufgekauft. Das Friesenviertel war damals baulich stark heruntergekommen. Die kleinteilige Struktur wurde durch enge Straßen, sowie niedrige und schmale Häusern geprägt. Ein hoher Anteil von Renter*innen und Migrant*innen wohnte in dem Viertel. Nach den Hauskäufen wurde den Mieter*innen gekündigt und neue, teurere Wohnungen an den Außenbezirken der Stadt angeboten. Mit Abfindungszahlungen und der Übernahme von Umzugskosten wurde versucht, ihnen ihre Vertreibung schmackhaft zu machen. Der geballten Konzernmacht mit ihrer politischen Unterstützung, hatten die Mieter*innen wenig entgegen zu setzen. In den freiwerdenden Wohnungen zogen Mitarbeiter. Die Gewerbeflächen vermietete der Konzern an den hochpreisigen Einzelhandel und der Gastronomie 1.

II. Chic des Faschismus

Der Nachkriegs-Neubau der Gerling Konzernzentrale sollte Macht und Reichtum ausdrücken. Als alter Wirtschafts-Patriarch übertrug Gerling seinen autoritären Führungsstil auf die Architektur. Die „Nazi-Ästhetik“ der, mit Muschelkalk verkleideten, Monumentalbauten kommt nicht von Ungefähr. Die ausführenden Architekten und Bildhauer stammten aus dem Arbeitsstab von Albert Speer. Der sich über die Jahrzehnte ausbreitende Gebäudekomplex, wird im kölschen Volksmund auch als „kleine Reichskanzlei“ tituliert.2 Nur der Gnade der späten Grundsteinlegung ist es zu verdanken, dass die eindeutige Symbolik, heute als „traditionelle Eleganz“ (Jürgen Roters, 2011 (SPD) verkauft werden kann. Historisch unbelastet kann das Quartier zu einer Luxusenklave saniert werden. Um dennoch nicht zu ernst, zu wirken, bedienen sich die Bauherren an der Formsprache Italiens und fügen eine Prise mediterrane Lebenslust und Internationalität hinzu. Mussolini würde heute wohl nicht anders wohnen wollen.

III. Die Randbezirke den Verlierern – Die City den Erfolgreichen

Wenn von steigenden Mieten und Wohnungsnot die Rede ist, dann ist nicht das oberste Preissegment gemeint. Armut ist lokal, aber Reichtum bedeutet die Qual der Wahl. Auf einen Käufermarkt müssen die Immobilienanbieter um die Wohnungssuchenden konkurrieren. Marketing wird im Gerling-Quartier groß geschrieben.

Neben den harten Fakten, wie die zentrale Lage im „angesagten Friesenviertel“, welche ein „komfortables Leben der kurzen Wege“ ermögliche, werden Lifestyle-Qualitäten zur Selbstinszenierung konstruiert. Dahinter stehen Marktanalysen über die Präferenzen der jeweiligen Zielgruppe. Die Botschaft ist simpel: willst du frei, flexibel und erfolgreich sein? Dann musst du dir eine Gerling-Eigentumswohnung kaufen! Dazu wird der Wohnraum mit Lebensstilen verbunden. Eine Dachterrassen gibt ein „besonders freies Lebensgefühl“, „ein Garten maximiert den Gestaltungsspielraum für jede Nutzungsmöglichkeit“ und die Raumaufteilung lässt „Leben und Arbeiten besonders geschickt verbinden“. Illustriert wird das Ganze in überbelichteten Bildern von attraktiven, glücklichen und hellhäutigen Menschen. Das Selbstbild der potenziellen Kund*innen verlangt Erfolg, darum wird das Viertel als Ort kapitalistischer Rekorde gebrandmarkt. Die Geschichte Gerlings wird als „Signet des Wirtschaftswunders“ angepriesen und die Exklusivität elitärer Zirkel betont: „In seiner berühmten Bar waren Diplomaten, Wirtschaftsmagnaten, glamouröse Frauen und Politiker, wie Konrad Adenauer, gern gesehene Gäste. Die Präsentation seines weltweiten Erfolgs spiegelte sich im Interieur seiner legendären Bar mit intimer Atmosphäre wider, die nur einem erlesenen Kreis vorbehalten war.“

Die Finanzkrise, welche den Gerling-Konzern die Eigenständigkeit nahm und in dessen Folge die Firmenzentrale verkaufen musste, wird konsequent verschwiegen. Stattdessen wird die Luxussanierung, als eine „Metamorphose die ein neues Zeitalter“ markiere, in den Himmel gelobt. Gekrönt wird Schönfärberei durch ein pathetischer Werbeclip, der die Grenze zur Realsatire längst überschreitet 3 4.

IV. Gated Community

Wenn Mensch soviel Geld in die Hand nimmt (um sich ein Townhouse, Penthouse, Maisonette oder eine Stadtvilla zu kaufen), will er sich nicht wie ein Gefangener fühlen. Immerhin zieht er ja gerade wegen den vielfältigen urbanen Attraktionen und zahlreichen Konsummöglichkeiten in die Innenstadt. Dabei möchte er einen hohen Sicherheitsstandart und ruhige Erholungsmöglichkeiten im Grünen. In Makler-Sprache hört sich das so an: „Man lebt mitten im Grünen, verbunden mit den Annehmlichkeiten der Großstadt. Die hochwertige Gesamtausstattung und ein umfangreiches Service- und Sicherheitskonzept vermitteln den neuen Eigentümern ein entspanntes Wohngefühl in exklusiver Umgebung im Herzen von Köln.“ Superreiche in Deutschland haben es nicht nötig sich von der Welt mit Mauern und Stacheldraht auszusperren. Sie holen ihre Dosis der Welt in den goldenen Käfig, als sozial-konforme Menschenkulisse, welche dem Quartier den Anschein von Lebendigkeit gibt, ohne jedoch zu stören. Somit bleiben die Grünanlagen dem Pöbel vorenthalten.

Für die Inszenierung haben sich die Investoren Geronshof-Straße gekauft und in einem „Piazza Navona“ umfunktioniert. Hier wird eine urbane Atmosphäre simuliert und eine Akzeptanz der Kölner*innen für das Quartier suggeriert. Somit unterstehen auch rechtlich die Passant*innen dem Hoheitsgebiet der Immofinanz AG. Die Stadt Köln hat dafür 226.000 Euro erhalten und die Verpflichtung, die anfallenden Reinigungskosten zu übernehmen.

Zur Aufrechterhaltung der sozialen Kontrolle, setzen die Immobilienverwerter, primär auf die zwanglose Selbstselektion der Nutzer*innen, durch exklusive Gastronomie und Dienstleistungen. Grundsätzlich ist zwar jede*r willkommen – aber ohne Geld will dort niemand verweilen. Natürlich stehen hinter diesen subtilen Formen, auch Kameraüberwachung, Security- und Concierge-Service „der als gute Seele des Hauses, stets ein Auge auf die ein- und ausgehenden hat“.

V. Zusammenfassung

Die Analyse hat gezeigt wie Stadt und Investor, eine Politik der sozialen Ausgrenzung betreiben, um durch die herbeigeführte Exklusivität den monetären Wert zu steigern. Eine wichtige Rolle spielt das Marketing. Damit lässt sich selbst die aus dem NS-Reich entlehnte Architektur und zweifelhafte Konzerngeschichte historisch umdeuten. Eine Ironie der Geschichte ist, dass damalige Gentrifier, heute selbst verdrängt werden. Das Gerling Quartier zeigt zu dem exemplarisch, wie die moderne Gestaltungsform einer Gated Community in der Innenstadt aussieht.

Quellen/ Literaturverzeichnis

1 Carola Hardt: „Gentrification im Kölner Friesenviertel“. In Gentrification : Theorie und Forschungsergebnisse / Jürgen Friedrichs ; Robert Kecskes, Opladen: Leske u. Budrich, 1996. S. 283-311

2http://www.awmagazin.de/architektur/kultbauten/artikel/das-gerling-quartier/

4 http://www.gerling-quartier.com/de

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Obenauf. Leben – New Build Gentrification in Köln

„Gut einparken und in Ihrer Wohnung aussteigen.[…] Das oberste Parkdeck ist nur reserviert für die Bewohner. Darauf aufgestockt entsteht ein neuer Wohnriegel mit 31 exklusiven Eigentumswohnungen – individuelle, großzügige und wertbeständige Wohnträume„. 1)

Obenauf.Leben, dieser Claim wirbt für die Magnus31 (Friesenviertel). Mehr noch als auf die Penthouse-Wohnlage, wird damit vor allem auf die gesellschaftliche Positionierung durch die Wohnsituation angespielt.

Im linksrheinischen Köln entstehen gerade über 30 gehobene oder luxuriöse Wohnanlagen in der Größenordnung ab 15 Wohneinheiten. Eine kritische Öffentlichkeit für diesen städtischen Wandel fehlt bislang. Hauptgrund ist dass, primär unbewohnte Grundstücke, wie Industriebrachen oder Bürokomplexe aufgewertet werden. Bei der sogenannten „New Build Gentrification“ kommt es zu keiner direkten Verdrängung von Bewohner*innen und Privateigentum wird in Deutschland ohnehin als Privatsache behandelt. Dabei bleibt die indirekte Verdrängung unberücksichtigt. Die Aufwertung eines Grundstückes, verändert sich nicht nur das Grundstück selbst, sondern wirkt auch die Nachbarschaft. Mit der Konzentration von Vermögenden, wandelt sich die lokale Infrastruktur, steigen die Lebenserhaltungskosten und werden die Mieten der umliegenden Nachbarschaft teurer. Die aufgewertete Lage wiederum, setzt die Anreize für Luxussanierung und direkte Verdrängung. Die Effekte sind umso spürbarer, je größer die Projekte sind.

Gerade bei Großprojekten ist es aber oft erstaunlich undurchsichtig, wie viele Wohnungen entstehen und wer sie sich leisten kann. So ist nur bekannt, dass im Quartier Reiterstaffel, einem ehemaligen Polizeigelände in Marienburg, 500 Wohnungen entstehen, wovon 350 bereits verkauft sind. Der Anteil der Mietwohnungen und deren Preise wird verdeckt gehalten. In den PANDION Klosterhöfen & Klostergärten (Junkersdorf) entstehen 287 Eigentumswohnungen, im FLOW (Bayenthal) 250, im Radeberger Leben (Radeberg) 150 und im w-wie-wohnen (Ehrenfeld) 113 Eigentumswohnungen. Im Gerling-Quartier wurden bislang 139 Eigentumswohnungen fertiggestellt. Wie viele Wohneinheiten im zweiten Bauabschnitt geplant sind, war nicht in Erfahrung zu bringen.

Die New Build Gentrification kann als weiteres Zahnrad im Prozess der Neusortierung der Stadt entsprechend ihres Einkommens verstanden werden. Die attraktiven Wohnunglagen werden von Reichen besetzt. Der soziale Wohnungsbau dient bestenfalls als Schallschutzelement, an vielbefahrenen Straßen oder unattraktiven Lagen. Das als Patentlösung angepriesene Kooperative Baulandmodel (30% Sozialwohnungen ab 25 Einheiten), findet praktisch keine Anwendung – bislang ist keine einzige Wohnung dadurch entstanden. 2) Warum zeigt exemplarisch die geplanten Neubebauung des Deutsche Welle Areals wo dem Investor, wegen der angeblich hohen Kosten, keine Sozialwohnungen zuzumuten sei.

Die Vermarktung der Großprojekte wird von einem ausgeklügelten Marketing-Konzept begleitet. Im gehobenen und luxuriösen Segment müssen die Wohnungsangebote, um die Nachfrager konkurrieren. Um den Orten eine Aura des Außergewöhnlichen zu verleihen, nimmt man es auch mit der historischen Vergangenheit nicht zu genau. Etwa im Gerling-Quartier (Friesenviertel), hier wird mit der einstigen Wirtschaftsmacht des Gerling-Imperiums geprahlt, verschweigt aber dessen unrühmliche Schrumpfung und Ursache für den Verkauf der Konzernzentrale. Es wird die „klassische Eleganz“ der „steingewordenen Pracht“ gelobt, während die faschistische Symbolik der „kleinen Reichskanzlei“ aus den Federn ehemaliger NS-Architekten verschwiegen wird. 3) Ein anderes Beispiel findet sich in Braunsfeld. Auf dem Gelände der ehemaligen Sidol-Fabrik entsteht bis Ende 2016 der Park Linné. Um die zukünftigen Bewohner*innen der 17 Eigentumswohnungen davon abzulenken, dass hier eine chemische Fabrik stand, beruft man sich auf den Botaniker Carl von Linné. Der hat zwar nichts mit dem Ort zu tun, aber in der Nähe ist die Villa eines Schokoladenfabrikanten und den Gattungsnamen der Kakaopflanze stammt bekanntlich von dem Botaniker. Grund genug, mit der „Schokoladenseite des Wohnens“ zu werben. 4)

Oder bei der Bebauung des ehm. Cloth Werkes in Nippes, wo insgesamt über 1000 Wohnungen, inklusive hochpreisiger Eigentumswohnungen, entstehen. „Mit der Projektbezeichnung für die Stadthauswohnungen soll an Josefine Clouth erinnert werden. Die Witwe des Gründers der Clouth-Werke hat sich in harten Zeiten durch Milde, Wohltätigkeit und Engagement für die Arbeiterfamilien einen Namen gemacht.“ Wie kann man dieses Andenken besser ehren als mit 17 exklusiven Eigenheimen, gegenüber den ehemaligen Arbeiterhäuser? 5)

Unangefochten, die Spitze des Zynismus-Rankings findet sich in der Vinzenzallee in Köln-Lövenich. Hier bauen die Wohnungsgesellschaften des rheinischen Braunkohlereviers WBG/GSG, 21 luxuriöse Reihenhäuser unter dem Projektnamen: „Die Lichtung„. Während Sie 30 km weiter den Hambacher Forst roden, um ineffiziente und umweltschädliche Braunkohle in die Luft zu blasen, verfügen die Häuser, neben Garten, über einen Privathain in wählbarer Größe („für eine pflegeleichte Waldatmosphäre„). Während das Mutterunternehmen RWE mehreren Tausend Menschen ihre Heimat nimmt und jahrhunderte, alte Dörfer abreißen lässt, wirbt sie damit: „Menschen ein Zuhause zu schaffen, ein Zuhause, das zu der persönlichen Lebenslage passt, ein Zuhause, das zur Heimat wird.“.6) In der Nachbarstraße entsteht das nächste Luxusding mit 27 Eigentumswohnungen Prezioso, Motto: „Tu. Saltanto tu. Hier zählen nur sie“.7)

Aber auch die Architektur kann eine Marketingstrategie sein. Besonders wenn sie von einem prominenten Architekten geschaffen wurde. Das „Arthron – Home by Herz“ ist eine Anspielung auf den Architekten Manuel Herz. Dieser wurde durch sein Gebäude legal/illegal bekannt, welches bewusst gegen die Abstandsflächenregelungen verstieß, um durch eine spektakuläre Architektur höhere Verkaufspreise zu erzielen. 8) Als „Kunstwerk“ eines namenhaften Architekten, können jetzt auch die 18 Eigentumswohnungen im Arthron (Bayenthal) vermarktet werden.

Die Architektur kann als Ausdruck des eigenen Lebensstils inszeniert werden. So entstehen auf dem Gelände des ehemaligen Hauptzollamt, welches vom Bund an einen privaten Investor verkloppt wurde, 81 Eigentumswohnugen: „…ein neuer Raum für urbane Pioniere, für charakterstarke Typen mit außergewöhnlichen Ideen“ und vollem Portmonee. Das 55frames (Südstadt) dessen Präsentation bereits wie der feuchte Traum eines Webdesigners daher kommt, konzentriert sich auf Lifestyle Marketing.

Für Originale, die Architektur als konsequenten Rahmen Ihrer Persönlichkeit verstehen„. 9) Getreu der Devise: Wie ich wohne, so bin ich.

Dabei spiegeln die Wohnverhältnisse weniger die Persönlichkeit wider, als die Positionierung innerhalb der Gesellschaft. Den über 5000 Obdachlosen, 4000 Geflüchteten, welche in Turnhallen und Containern schlafen, fehlt nicht der Sinn für moderne Architektur, sondern eher an den Möglichkeiten.

Luxusprojekte sind nicht nur ein Spiegelbild der sozialen Ungerechtigkeit, sondern immer auch ein Beitrag sie zu erhalten, denn jedes neue Luxusghetto nimmt der Möglichkeit, gutes Wohnen für alle zu schaffen, sprichwörtlich den Platz weg. Das gilt besonders im dicht bebauten Köln. Einer Studie der Kölner Stadtverwaltung hat das potenziell nutzbare Bauland mit den prognostizierten zukünftigen Wohnbedarf verglichen. Selbst wenn Grünflächen bebaut und der Wagenplatz „Wem gehört die Welt“ verdrängt werden, fehlt die Fläche für 17.000 Wohnungen. 10) Der Konkurrenzkampf um Wohnraum, geht weiter.

Quellen /Literaturverzeichnis

  1.  http://www.magnus31.de/objekt
  2.  http://www.ksta.de/koeln/mieterverein-koeln-mietpreisbremse-sote-23542074
  3.  http://gentrificationcologne.blog.com/2015/12/06/gerling-quartier/
  4. http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/immobilienfirmen-erfinden-hochtrabende-namen-fuer-neubauprojekte-a-954177.html
  5.  http://www.josefineclouth.de/
  6.  http://www.lichtung-koeln.de
  7.  http://prezioso-koeln.de/
  8.  http://bauwatch.koelnarchitektur.de/pages/de/architekturfuehrer/64.legal_illegal.htm
  9.  http://www.55frames.de
  10.  http://www.ksta.de/koeln/stadtentwicklung-wohnungsbau-statt-schrebergarten-23630966
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